Traumstation: Hotel Abgrund

29.04.2020

Sehr geehrte M,

vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihr Interesse und vor allem für Ihren spannenden Traum. Wir schicken Ihnen im Anhang unsere Deutung schriftlich zurück und hoffen, dass Sie etwas mit ihr anfangen können, dass sie Ihnen auch Spass macht. Wir haben Ihren Traum gemeinsam zu dritt gedeutet, weil so das Verständnis nochmals breiter und interessanter wird – und davon eine Tonaufnahme gemacht. Wenn Sie Interesse daran haben, können wir Ihnen diese Aufnahme gerne schicken.

Träume auf diese Art, die sich von der Situation in der Praxis durchaus unterscheidet, zu deuten ist für uns ein Erlebnis und ein Glück, bei dem man immer wieder neue Erfahrungen machen kann und wird. Deshalb wollen wir Sie auch fragen, ob Sie eventuell damit einverstanden wären, wenn wir Ihren Traum und die Deutung dazu – die natürlich Ihnen ist, das ist keine Frage – eventuell auch veröffentlichen würden. Falls ja, würden wir Ihren Traum und unser gemeinsames Gespräch dazu, gerne als Podcast (Traum 31) mit gelesenem Traum und Deutungsgespräch veröffentlichen. Es würde einen Eindruck davon geben, was Träume sein können, was alles in ihnen ist, was sie mit uns machen. Aber selbstverständlich würden wir das nur mit Ihrer ausdrücklichen Einwilligung tun – das versteht sich von selbst. Wenn Sie es nicht möchten, ist das überhaupt kein Problem, wir verstehen es bestens, es ist Ihr gutes Recht.

Aber nochmals: Vor allem hoffen wir, dass Sie unsere Sichtweise auf Ihren Traum anspricht und Ihr Interesse weckt.

Mit freundlichen Grüssen

Ihre Traumstation

Traumstation: Deutung des Traums „Hotel Abgrund“ (schriftliche Zusammenfassung des Gesprächs der drei Traumdeuter, dieses vollständig im Podcast der Traumstation, Traum 31)

Die Träumerin schickt uns einen zweiten Traum. Oder eine literatisierte Bearbeitung, wie sie schreibt. Eine künstlerische Umwandlung, Weiterführung des ursprünglichen Traums. Herausgekommen ist eine eindrückliche Schauergeschichte, die sie uns nun in «freudiger Erwartung» auf die Deutung zuschickt.

Der Traum beginnt dort, wo der erste Traum endet. Bei den Insektenbeinen im Speiseraum. Aus den Insektenbeinen ist die Spinne geworden, die der Freundin im Gesicht hockt. Die Freundin SPINNT also den ersten Traum weiter. Oder SPINNT sie? Jedenfalls ist dieser zweite Traum dabei herausgekommen.
Dieser schauerhaft schöne Traum ist voll von eindrücklichen Bildern und Sätzen, die einen gruseln lassen. Viele der Elemente sind symbolisch aufgeladen und legen eine bestimmte Deutung nahe. Die Spinne, die Frau, die nur noch ihr Schatten ist, die Tür, die nur in eine Richtung geht, der Joker… Bei mir entsteht das Gefühl, dass bereits eine Deutung implizit im Traum vorhanden ist. Eine ganz spezifische Deutung. In mir regt sich Widerstand. Ich will sie nicht geben, diese eine Deutung. Weil sie schliesst und nicht öffnet. Weil sie dem «Drehschwindel» vom ersten Traum folgen würde.

Also versuche ich Öffnungen, die Raum zur Imagination lassen, zu finden. Doch es werden keine Brüche, Stolperer oder Risse sichtbar, auch nicht nach dem dritten mal lesen. So passt alles zusammen. Ein Traum wie aus einem Guss. Was ist denn dahinter, hinter diesem Guss? Ich finde kaum eine Öffnung. Etwas ist zugedeckt; muss versteckt werden. Was? Wieso? Ist es ein Wunsch der Träumerin? Um bleiben zu können, müsste sie alles abziehen, bis unter die Haut. Würde das bedeuten, die eigenen Wünsche abzulegen, aufzugeben? Also den Koffer mit den Wünschen drin abzugeben und im Hotel Abgrund landen. Es macht den Eindruck, als müsse sie ihre Wünsche aufgeben, wenn sie bei den anderen bleiben wollte. Hier scheint keine Vermischung möglich. Keine Vermischung der Wünsche, so dass beide bestehen bleiben. Jemand muss sich aufgeben. Also wird der Wunsch versteckt, vom Guss der Schauergeschichte überdeckt. Was würde passieren, wenn sie ihn offen zeigen würde?

Eine Vermischung findet an anderer Stelle statt. Es sind zwei Personen, die zusammen träumen. Die Freundin und unsere Träumerin. Im Traum kommt es zu einer Vermischung der beiden, wie im ersten Traum zwischen Blau und Gelb. Grün entsteht. Wer ist wer? Sind beide eine Person? Dann wieder zurück zum alleine sein, als die Träumerin durch die Drehtür gestossen wird. Es ist jedoch nicht klar, ob sie tatsächlich aus dem Hotel Abgrund entkommt, oder ob die Dreh-Tür sie wieder rein befördert. Kommt es zu einer Entmischung, einem Ausstossen der Träumerin? Oder kommt sie zurück zur Freundin?

Was mit dem Mann aus dem ersten Traum geschehen ist, ist unklar. Auf ihn wartet sie, er scheint jedoch irgendwie verschwunden zu sein. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es in dem Traum (auch) um ihn geht. Was ist das für eine Dreiergeschichte? Wer ist mit wem zusammen? Zumindest unterhalten sich die beiden Frauen durch diesen Traum über ihn.

Bleibt das Begleit-Email. «Hoffnungsvoll und in freudiger Erwartung» schreibt die Träumerin am Ende des Emails. Hoffnung worauf? Was hofft denn die Träumerin? Hier sind wir wieder bei den Wünschen der Träumerin. Was die Träumerin will/hofft/wünscht scheint zentral zu sein, wird aber im Traum konsequent ausgelagert. Die Träumerin sagt nichts, macht keine eigenen Bewegungen. Sie wird von der Schatten-Frau angesprochen, mitgezogen, aus dem Hotel gestossen. Keine eigenen Handlungen. Dies passt zu ihrem Rückzug vom ersten Traum.

Was ist der Wunsch? Im ersten Traum taucht der Wunsch auf, angenommen zu werden. Angenommen werden mit all dem Horror, welchen sie uns mit dem Traum schickt? Den Wunsch, sich selber annehmen zu können? Den Wunsch, den eigenen Wunsch annehmen zu können?

Mehr zum Traum:

Traum: Hotel Abgrund

Podcast der Traumstation (Traum 20) mit gelesenem Traum und Deutungsgespräch

Vorausgehender Traum „Gelb und Grün“, an den der Traum „Hotel Abgrund“ anknüpft.

Zusammenfassung des Deutungsgesprächs der Traumstation zum Traum „Gelb und Grün“.