06.04.2020
Sehr geehrte M,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Traumstation, für Ihren spannenden und interessanten Traum. Wir schicken Ihnen unsere Deutung im Anhang zurück und hoffen, dass Sie etwas damit anfangen können, dass sie Ihnen Spass macht und farbig ist. Bei der Gelegenheit möchten wir Sie auch noch fragen, ob Sie eventuell einverstanden wären, wenn wir Ihren Traum zusammen mit der Deutung – die natürlich Ihnen ist – eventuell in einer Publikation, die wir planen veröffentlichen würden. Selbstverständlich werden wir das nur mit Ihrem Einverständnis und anonym machen.
Unsere Traumstation ist weiter offen, also vielleicht ergibt sich wieder eine Gelegenheit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Traumstation
Traumstation: Deutung des Traums Gelb und Grün (in der Nummerierung der Traumstation Traum 25)
Blau und Gelb geben grün. Blau und Gelb sind Primärfarben, grün ist eine Sekundärfarbe, die durch Mischung entsteht. Traum und Wirklichkeit gehen ineinander über in dieser Erzählung, von der man den Eindruck hat, dass sie changiert, von der Traumerzählung zur Erzählung wird, vom Traum zur Wirklichkeit, die eine traumhafte bleibt, die ganz wirklich werden, so auch schmecken und riechen kann.
Auf jeden Fall scheint die Vermischung eine Rolle zu spielen – zusammen mit dem Alleinsein, das aber ein Zurückgebliebensein ist, also nicht ein primäres, sondern ein sekundäres Alleinsein, offensichtlich eines, das durch eine andere Vermischung und das zurückbleiben, durch ein zurück entstanden ist.
Überhaupt scheint die Träumerin nicht nur den Koffer, der immer schwerer wird, in der Hand zu haben, sondern auch den Schritt der Figur, die auf den Zug zuläuft, zugeht, mit ihrem Wimpernschlag zu beschleunigen, zu takten, zu steuern. Sie treffen dann aufeinander auf der hinteren Plattform, auf der Rückseite des Zuges, was ja bereits ein Ausdruck für den Rückzug sein könnte, den sie dann auch wirklich antritt, aus der Begegnung wird eine Trennung, wird ein Wechsel der Positionen im Zug, sie bleibt ausserhalb des Zuges, zurückgezogen. So wacht sie auch auf, heisst es am Schluss, am Koffer hat sich nichts geändert, er ist wie gestern im Flur, eingepackt hat sie den Wunsch dazuzugehören. Der ist also im Koffer, dieser Wunsch. Im Koffer eingeschlossen und wird ihr zu schwer, sie will ihn loshaben, sie reicht ihm den Koffer mit dem Wunsch darin, er geht mit ihm in den Zug, wird auch dazugehören und nicht allein sein. Der Koffer war ihr zu schwer geworden, deshalb musste der Zug anhalten, damit sie aussteigen kann, den Wunsch loswerden kann dazuzugehören.
Aber was macht sie ohne Wunsch? Er bleibt ganz offensichtlich heiss, auch wenn sie allein auf weiter Flur ist. Die Hitze wird sie nicht los, es scheint, dass der Wunsch im Koffer nicht nur schwer, sondern auch heiss ist. Jetzt ist nur noch sie und die Hitze, wie später der Schutzengel und sie und wovor soll er sie denn schützen, der Schutzengel, die eine sie ist? Vor der Hitze? Oder vor der anderen im Zug, mit der sie gewesen ist? Muss er ihr gestatten, die Einladung anzunehmen, da scheint eine Erlaubnis nötig zu sein. Und wenn zu uns dann sagt, die Träumerin: „Hereinspaziert“, dann ist es wie mit der Figur, die auf den Zug zukommt, deren Schritte, deren Geschwindigkeit ihr Wimpernschlag und sie steuern.
Aber vielleicht ist es genau umgekehrt, dass sie nicht hereinspazieren kann, sondern sich in den Rückzug begeben muss, auf die hintere Plattform. „Wünsche tauchen ungebeten auf“, so heisst es, „mich erneut auf Reise zu begeben“. „Ungebeten“ sind sie, diese Wünsche. Sie kann sie nicht bitten, sie kann sie nicht wollen. Vielleicht ist doch das die Schwierigkeit, dass sich dann das Blau der Nacht nicht vermisst mit dem Gelb des Tages und des Feldes, und so dann alles vergilbt und man könnte fast meinen vertrocknet. Blau und Gelb sind nicht Komplementärfarben, sie ergeben zusammen Grün. Das grüne Licht, die freie Fahrt entsteht durch deren Vermischung.
Die Bilder des Traumes sind stark, die Worte sind stark, sie wirken wie gesetzt, sie stimmen und sie passen. So wie der Drehschwindel. Er ist ein Schwindel, weil er beim „rein“ schon wieder „raus“ geht, „nach vorne“ ist schon wieder „zurück“. Das ist der Drehschwindel, die Drehtüre, in dem sie kreist und sich bewegt, der Koffer am Morgen ist so wie am Abend, der Traum schickt sie auf Reisen, die schon wieder aufgehört haben, dort ankommen, wo sie noch nicht abgefahren sind. Der Drehschwindel ist ein Schwindel, weil er schwindelt, weil er vorgibt und dann wieder zurückgibt und er macht schwindlig. Und dann kommt es ja auch: „DU.MUSST.NUR.WOLLEN.“ Das ist die andere Seite von dem „Ungebeten“. Ist sie ungebeten? Das macht nicht den Eindruck, sie wird doch eingeladen, die Figur kommt doch auf sie zu, die Frau scheint nicht sie nicht gewollt zu haben. Sie wollte nicht. DU.MUSST.NUR.WOLLEN. Buchstabe für Buchstabe. GROSS. UNÜBERSEHBAR. Und sie wird zornig, sie will es nicht lesen, sie will es nicht hören – es ist ganz still, dabei ist es doch so laut, so unüberhörbar laut –, die Buchstaben der Theorie scheinen sie mehr zu interessieren, weil sie sie nichts angehen. Das geht sie an. Aber sie nicht heran, sondern zurück auf dem Rückzug im Zug befindet sie sich.
So können wir nur eines: Den Wunsch auspacken, aus dem Koffer, in dem er eingeschlossen ist, sich nicht bewegen kann, immer schwerer wird. Wir können ihn nur auspacken, wenn wir die Einladung annehmen, was wir sehr gerne getan haben und tun, eine wunderbare Einladung, wir kommen auf sie zu, auf die Träumerin, mit diesem Wunsch, der eigentlich nicht ungebeten ist, sie hat uns doch um ihn gebeten, der doch nichts anderes will, als dass sie ihn nimmt, ihn annimmt, dass er zu ihrem wird – da hilft doch auch der Zorn nicht, der ist wirklich kalt und eiskalt, aber diese Kälte hilft ja offensichtlich nicht gegen die Hitze. Ihr kann man nicht entkommen, man muss sie nehmen, denn sie ist der Wunsch, dieses Geschenk. Gestattet oder nicht.
Mehr zum Traum:
Traum: Gelb und Grün
Podcast der Traumstation zum Folgetraum „Hotel Abgrund“ (Traum 31) mit Bezugnahme auf Traum „Gelb und Grün“